Seit fast 900 Jahren leben Juden kontinuierlich in Frankfurt am Main, länger als in jeder anderen Stadt Deutschlands und wirken als Geschäftsleute, Bankiers, Politiker, Mäzene, Künstler sowie Wissenschaftler. 1949, nach der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten, wird die Jüdische Gemeinde in der Mainmetropole neu gegründet und zählt heute knapp 7.200 Mitglieder, von denen rund die Hälfte aus der früheren Sowjetunion stammt. Mit Berlin, München und Düsseldorf zählt Frankfurt zu den vier großen Jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland. Zu den zahlreichen Institutionen zählen zwei Kindergärten, die I.E. Lichtigfeld-Schule im Philanthropin, das Altenzentrum sowie verschiedene Sozialdienste und Angebote für Senioren. Es gibt Gottesdienste sowohl für die liberale als auch die orthodoxe Glaubensrichtung.

Die erste urkundliche Erwähnung von Frankfurter Juden geht auf die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Die Jüdische Gemeinde wird 1241 erstmals Opfer eines Angriffs, 1349 folgt ein weiteres Pogrom. 1462 entsteht außerhalb der Stadtmauer das erste Ghetto in Europa, die Judengasse, die bogenförmig von der heutigen Konstablerwache bis fast zum Main verlaufen ist.1 Davon hat sich im Stadtbild nichts erhalten, lediglich einige Überreste sind im Museum Judengasse integriert. Vier Jahrhunderte lang wird das Ghetto zum einzig geduldeten Wohnort, seine drei Tore bleiben nachts sowie an Sonn- und Feiertagen geschlossen. Neben der räumlichen Abtrennung kommen wirtschaftliche Beschränkungen wie eine rechtliche, soziale und kulturelle Sonderstellung hinzu. Im Verlauf der Besetzung durch französische Revolutionstruppen und das Bombardement der Stadt wird der Nordteil der Judengasse 1796 zerstört. Dieses Ereignis gilt als Auslöser für den jüdischen Emanzipationsprozess und endet 1864 mit der umfassenden rechtlichen Gleichstellung gegenüber allen Bürgern.
Fortan fördert die jüdische Bevölkerung mit ihrem sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Engagement zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie z. B. den Bau der Alten Oper, das Clementine Kinderhospital und später die Goethe-Universität.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelt sich Frankfurt zu einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit mit berühmten Rabbinern, die als Rechtsgelehrte weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt sind. Jüdische Kaufleute und Geldhändler leisten einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Im 19. Jahrhundert wird Frankfurt zur Wiege neuer Strömungen: das Reformjudentum sowie die Neoorthodoxie. Um die Jahrhundertwende treten dann verstärkt antisemitische Tendenzen auf, die sich auch in antijüdischen Agitationen und Boykottaufrufen äußern.2 Das demokratische System der Weimarer Republik beseitigt zunächst die noch bestehende Diskriminierung und eröffnet z. B. den uneingeschränkten Zugang zu den öffentlichen Ämtern. Frankfurt ist in dieser Zeit nach Berlin die zweitgrößte Jüdische Gemeinde, darunter prägen zahlreiche Persönlichkeiten das Stadtbild: 1924 wird Ludwig Landmann, ein Demokrat jüdischer Herkunft, Oberbürgermeister, gleichzeitig hetzt die NSDAP gegen Frankfurt als „Stadt der Rothschilds“. 1933 leben 26.158 Juden in Frankfurt, die Stadt hat damit den größten jüdischen Bevölkerungsanteil unter den deutschen Grossstädten. 1945 leben nur noch 160 in der Stadt, annähernd 12.000 Juden sind deportiert worden, alle Übrigen konnte fliehen.3 Heute ist die Jüdische Gemeinde kulturell und gesellschaftlich fest in der Stadt verankert und engagiert sich mit den jüdischen Kulturwochen, der Jüdischen Volkshochschule und zahlreichen Veranstaltungen aktiv am Leben der Mainmetropole.
  1. Fritz Backhaus (2006): Die Frankfurter Judengasse, Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main, Societätsverlag 2006. S. XXX.
  2. Heuberger, Rachel; Krohn, Helga (1988): Hinaus aus dem Ghetto. Juden in Frankfurt am Main, 1800-1950. Frankfurt am Main: Fischer. S. 117f.
  3. Krohn, Helga (2011): "Es war richtig, wieder anzufangen". Juden in Frankfurt am Main seit 1945. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel. S. 18ff.